Wer von euch kennt es nicht? Es gibt implizite Gesetze, die z. B. eine gesellschaftliche Konvention darstellen. Gerne beginnen diese in unserer Kindheit und mit dem Worten „du sollst…, man macht…, du musst…“ Es sind teilweise auch Glaubenssätze, die sich verankern und unsere Entwicklung und unser Handeln beeinflussen. Was machen diese impliziten Gesetze mit uns? Häufig schränken sie ein, häufig geben sie aber auch Orientierung, meistens werden sie erst sichtbar, wenn sich jemand nicht daran hält.
Der neue Mitarbeiter, der nicht wie alle anderen um 12:30 Uhr in die Mittagspause geht.
Die Freundin des Kumpels, die nicht mit den anderen Mädels, sondern mit den Jungs zusammenhängt.
Der Hund, der nicht seelenruhig im Restaurant unter dem Tisch liegt, sondern auch schon mal bellt.
Letzteres ist meine Geschichte: Meine Hündin Enia ist 2,5 Jahr alt und mit 5 Monaten aus dem spanischen Tierschutz zu mir gekommen. Sie ist also ein Corona-Hund – heißt sie kam zu einer Zeit, in der Gesellschaft unter Menschen „verboten“ oder zumindest mit viel Abwägung von Risiken und Nutzen zustande kam. Dadurch hat sie nicht viele unterschiedliche Menschen kennengelernt und ist unsicher im Umgang mit Fremden. Sicher ist ein Teil davon meine „Schuld“, ein Teil davon auch ihre Persönlichkeit. Zu dem Thema berichte ich aber mal zu einem anderen Zeitpunkt.
Die Auswirkung ist u.a., dass es ihr schwerer als anderen fällt, sich in Gesellschaft zu entspannen. Dadurch sind Besuche im Restaurant, Café und Co. unentspannter. Ich habe immer den Fokus überall, um möglichst zu agieren, bevor Enia mal bellt. Denn ein Hund, der im Restaurant bellt, ist ein ungern gesehenes Verhalten. Das implizite Gesetz: Ein Hund muss ruhig sein im Restaurant! Vermutlich kennen Eltern das Thema auch für ihre Kinder.
Situationen, in denen ich angespannt bin, nimmt mein Hund natürlich direkt war und wird „automatisch“ auch unentspannter. Das Schlüsselwort hier heißt: Stimmungsübertragung. Auch ich bin ein Mensch, der ungern „negativ“ auffällt. Daher bleibt oder lieber gesagt blieb Enia häufig zu Hause, wenn ich mit meinem Freund, Freund:innen Essen gehe.
Was habe ich gemacht?
Ich habe Situationen gemieden, weil sie mir unangenehm sind. Ich wollte ein implizites Gesetz bedienen und das war mit meinem Hund nicht möglich. Ich wollte nicht angeschaut werden. Ich wollte nicht, dass in meinem Kopf Filme ablaufen „Was denken die anderen?“ „Schau mal wie böse der Mensch guckt.“ „Ich störe die Zeit anderer mit meinem Hund.“
Ich habe Enia die Chance genommen zu lernen. Gewöhnung ist hier das Schlüsselwort. Und ich habe mir selbst die Chance genommen, meine Festplatte im Kopf zu überspielen. Die negativen Erfahrungen „Mein Hund bellt im Restaurant und stört andere Menschen“ ist also immer noch da.
Nun setze ich alles auf Anfang: Enia kommt regelmäßig mit ins Café oder Restaurant und ich versuche bewusst zu entspannen. Tief ausatmen und mit einer positiven Einstellung führte es letzte Woche dazu, dass sie sich auf die Seite gelegt hat und dösen konnte. Und hier liegt unser Schlüssel zum Erfolg. In meinen Händen, in meinem Kopf und im Wohlwollen der anderen Menschen.
Wenn also demnächst ein Hund im Restaurant bellt, ein Kind im Supermarkt an der Kasse schreit, der neue Chef euch einfach duzt… hinterfragt, warum es euch stört. Hinterfragt, ob in dem nicht eine Chance steckt und seid wohlwollend. Schließlich gibt es beim Gegenüber vermutlich einen Grund, den ihr im ersten Moment nicht erfassen könnt.
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